Frankfurter Rundschau II


Ferien zu Hause Ebbelwei aus aller Welt

Ein Besuch im Keller der historischen Schankwirtschaft „Daheim im Lorsbacher Thal“ in Alt-Sachsenhausen. Hier stehen 250 Sorten des Kultgetränks zum Kosten bereit.

Apfelwein


Von Jakob Maurer

Gastronom Frank Winkler hat viel Stöffche in seinem Keller. Und an heißen Sommertagen ist es hier angenehm kühl. Foto: Christoph Boeckheler

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Mitten in Alt-Sachsenhausen, aber doch ein wenig abseits der ausgetretenen Pfade ist das „Thal“ gelegen. Das Tor führt den Besucher aber nicht hinaus aus der Stadt in ein grünes Naturidyll, sondern hinein in den Hof der historischen Frankfurter Schankwirtschaft „Daheim im Lorsbacher Thal“. 

Groß wie Kürbisse und Melonen hängen Äpfel von der Decke des Torgangs. Um sie dreht sich hier alles. Rot, grün und gelb sind sie – doch leider aus Plastik. Darunter sind an den Wänden hölzerne Gartenmöbel aufgestellt. Die Besucher sollen sich geborgen fühlen wie im Schatten von Apfelbäumen. Dieser Tage beginnt die Apfelernte. Die frühen Sorten werden im August gepflückt – und schon bald gekeltert. Hier in Alt-Sachsenhausen genießen Besucher das Obst bekanntlich in einer ganz besonderen Form: ausgepresst und vergoren, als Kultgetränk Ebbelwei. 

Apfelwein

Die schweren Holzfässer und die von Flechten überzogenen Kellerwände sind viele Jahrzehnte alt. Foto: Christoph Boeckheler

So auch im Lorsbacher Thal. Doch hier wird aus dem Ebbelwei „Apfelwein 2.0“. Und das hängt hauptsächlich mit einer Person zusammen: Der Gastronom Frank Winkler betreibt seit fast genau drei Jahren zusammen mit seiner Frau Pia die historische Apfelweinkneipe. Die gibt es schon seit 1803: Damals eröffnete eine Obstbauern-Familie aus dem hessischen Lorsbachtal hier eine Metzgerei – und dazu eine kleine Kneipe. Auch heute ist das Lokal noch in Familienbesitz. Die Winklers sind die ersten Wirte des Lokals, die nicht zur Gründerfamilie gehören. Und sie haben viel verändert.

Mehr als 250 verschiedene Sorten Apfelwein aus insgesamt 20 Ländern und drei Kontinenten gibt es zu entdecken. Laut Winkler handelt es sich dabei um „die wahrscheinlich größte Apfelweinkarte der Welt“. Im Lokal wird sie jedem Gast als dickes Heft gereicht. Wer sie einmal komplett durchprobieren will, wäre eine ganze Weile beschäftigt: in 250 Apfelweinen um die Welt.

„Die Leute denken immer, der Apfelwein wurde hier in Frankfurt erfunden und wird hier auch am meisten getrunken. Das stimmt alles nicht“, sagt Winkler. Vielmehr gebe es Apfelwein auf der ganzen Welt und in zahlreichen unterschiedlichen Prägungen. „Äpfel wachsen schließlich überall“, sagt er. Da hätten eben an vielen Orten Menschen Wege gefunden, aus Äpfeln Wein zu gewinnen.

Apfelwein

Apfelwein gibt es auch in solch schmucken Flaschen. Foto: Christoph Boeckheler

Ein guter Freund habe ihm vor ein paar Jahren eine ganz außergewöhnliche Sorte eingeschenkt. Und da habe sich Winkler, der zuvor vor allem Liebhaber von Traubenweinen war, gedacht: „Wenn das Apfelwein ist, dann muss ich dieses Getränk besser kennenlernen.“ Eben diese Erfahrung will er nun an seine Gäste weitergeben. Wer Winklers Apfelweinprobe bucht, den erwartet „eine kleine Reise“. Es werden ausgewählte Sorten zum Probieren eingeschenkt: traditionelle, moderne und sortenreine, also solche, die nur aus einer Apfelsorte gekeltert sind. Zwischendurch wird regionale Hausmannskost serviert.

Probe und Ernte

Bei „Daheim im Lorsbacher Thal“, Große Rittergasse 49 in Frankfurt, kann man kleine und große Apfelweinproben buchen. Die große kostet pro Person 59 Euro und dauert dreieinhalb Stunden. Bei der kleinen zahlt man 39 Euro für zwei Stunden. Das Angebot ist ab zehn Personen verfügbar.

Betreiber Frank Winkler veranstaltet im September auch ein Keltern mit Gästen. Im Vorjahr ernteten sie 15 Tonnen Äpfel und kelterten 10 000 Liter Wein. Nach getaner Arbeit, so Winkler, „trinkst du deinen Schoppen mit einem ganz anderen Gefühl“. Interessierte an Probe und Ernte melden sich unter der Woche zwischen 11 und 16 Uhr unter Telefon 06109/507760.  

Außerdem gewährt Winkler den Teilnehmern einen Einblick in seine Schatzkammer. Sie liegt direkt unter der Gaststube. Der Weg führt hinter den Tresen und vorbei an Bembeln und Apfelweingläsern. Dann steil hinunter, über eine schmale, hölzerne Treppe. Stufe um Stufe wird es kühler – angenehm an einem Sommertag.

Unten angekommen, hat man gefühlt eine Zeitreise hinter sich. Die schweren Holzfässer und die von Flechten überzogenen Kellerwände sind viele Jahrzehnte alt. Nur die Neonröhren an der Decke verraten die Zeit. Ebbelwei lagert in den Fässern heute allerdings keiner mehr. Doch einen Raum weiter türmen sich Flaschen aus der ganzen Welt. 

Über die Jahre ist eine gewaltige Sammlung entstanden. Europäische Apfelweine aus Frankreich, Spanien, Lettland und Dänemark stehen hier genauso wie japanische, südafrikanische oder amerikanische Sorten. Wie beim Craft-Bier gibt es auch in der Welt des Apfelweins eine weltweite Erneuerungsbewegung. Fast jede Flasche sieht anders aus. Wie Sekt, Bier und natürlich Traubenwein sind sie abgefüllt und mit kunstvollen Etiketten versehen. Die altbackenen 50er-Jahre-Pullen der großen deutschen Firmen nehmen sich dagegen langweilig aus.

Apfelwein gibt es erst seit dem vorigen Jahrhundert in Flaschen. „Der Traubenwein hat gut 2000 Jahre Vorsprung“, sagt Winkler. Und folgert: „Da gibt es also einiges aufzuholen.“ Wer die Aufholjagd hautnah miterleben will, der muss nach Alt-Sachsenhausen und durch den Torgang ins Lorsbacher Thal schreiten.