Frankfurt-Sachsenhausen Es bewegt sich was in Alt-Sachs
Eigentlich hat der Paradiesplatz inmitten von Alt-Sachsenhausen Potenzial, ein charmanter Ort zu sein. An einer Ecke steht der Paradiesbrunnen aus rotem Sandstein. Der umliegende leerstehende Häuserkomplex war bestimmt auch mal schön: Er ist unter dem Namen Paradieshof bekannt. Irgendwer hat in einer Ecke seinen Sperrmüll abgestellt, darunter der Oberkörper einer Schaufensterpuppe. Tagsüber ist hier viel Sonne, nur ab und an sieht man jemanden vorbeigehen. Kein Vergleich zum nächtlichen Partymodus wenige Meter weiter in der Kleinen und Großen Rittergasse: Da werben Gastronomen mit „Ficken für 1,50 Euro“-Schildern. Busladungen von Junggesellen-Abschieden feiern das am Wochenende ab. „Ficken“ ist ein Likör.
Uli Schlepper und Jürgen Vieth wollen für Alt-Sachsenhausen einen Imagewechsel antreiben. Mit dem Freitagsmarkt Alt-Sachs auf dem Paradiesplatz. Er soll am 5. Mai starten. „Wir wollen das Viertel auch tagsüber beleben“, sagt Schlepper. „Alt-Sachs soll weiter seinen Vergnügungs-Charakter behalten. Aber wir wollen auch neue Leute ins Viertel bringen, die sich mit dem typischen Halligalli-Publikum mischen. Das würde Alt-Sachs guttun.“
Der 47-Jährige ist Partyveranstalter und einer der Macher des Marktes. 10 bis 15 Stände sind geplant. Von 16 bis 22 Uhr soll er geöffnet sein. Knapp 1000 Leute haben bereits auf Facebook ihr Interesse angekündigt. „Einerseits sollen die Besucher traditionelle Apfelwein-Kultur erleben. Also vor Ort sehen, wie Apfelwein entsteht. Wir planen aber auch Stände mit geräuchertem Lachs, Bio-Wurst, Wein von jungen Winzern aus dem Rheingau und einen türkischen Stand.“ Es soll ein Verweilmarkt werden. „So ein bisschen wie der Charakter des Friedberger Markts“, sagt Schlepper. „Nur ohne das Wildpinkel-Problem. Die Leute können die Toiletten von meiner gegenüberliegenden Kneipe Oberbayern benutzten“, betont Vieth, der auch zum Organisations-Team gehört. Der 54-Jährige betreibt zudem im Viertel noch fünf weitere Kneipen wie „Frau Rauscher“ oder das „Erdnüsschen“.
Vor zwei Jahren haben Schlepper und Vieth bereits den Weihnachtsmarkt auf dem Paradiesplatz etabliert. Dazu gründeten sie die Initiative Alt-Sachs. „Wir wollen nicht nur motzen, sondern selbst etwas für das Viertel tun“, sagt Vieth. Oft würden vergangene Zeiten romantisiert. Alt-Sachs sei immer schon ein Vergnügungviertel. „Als die US-Soldaten hier stationiert waren, war es besonders wild, und es gab viele Schlägereien.“
Ein aktuelles Problem sei die „Monokultur“ an Shisha-Bars. Sie hätten nachgezählt: 14 Stück gebe es. „Viele Gäste, die draußen sitzen und essen, fühlen sich von dem Geruch der Masse an Shishas belästigt“, so Vieth. Sie hoffen, mit dem Markt das Viertel attraktiver für Betreiber zu machen, die hier mit einem neuen Ziel-Publikum auch mal ein Café eröffnen. Auch mehr Locations wie die Old Fashioned Bar, in der es Swingabende gibt, wären schön. Noch aber muss der Markt genehmigt werden. Ralph Rohr vom Ordnungsamt sagt: „Es fehlen noch ein paar Unterlagen von Seiten der Betreiber.“
Vieth betont, dass er sich mehr Unterstützung im Viertel wünscht: „Viele Wirte wollen Änderungen, aber nur die wenigsten sind dabei, wenn es ums Engagement geht.“ Dabei mit einem Stand, an dem es hausgemachten Apfelwein und Eis-Sorbet geben soll, ist Frank Winkler. Seit drei Jahren betreibt er die historische Schankwirtschaft „Daheim im Lorsbacher Thal“. Er sagt: „Ich freue mich auf den Markt, alles, was keine Shisha-Bar ist, ist toll.“ Seit März hat er auch mittags geöffnet. Im hübschen Sommergarten sitzen Business-Herren im Anzug. Statt Billig-Schnitzel gibt es Fleisch vom regionalen Bauern. Auch bietet Winkler Apfelwein-Proben in seinem Keller an. „Wir haben die wohl größte Apfelwein-Karte der Welt – mit über 250 Positionen.“ In seiner Sammlung: Flaschen von Norwegen bis Japan.
Das „Lorsbacher Thal“ liegt etwas geschützt von der Partymeile. „Freitags und samstags gibt es ein paar Freaks, aber sonst ist Alt-Sachs besser als sein Ruf“, so Winkler. Karsten Krüger vom Planungsamt sagt, dass es seit über 20 Jahren städtische Förderprogramme für Alt-Sachsenhausen gibt. „Die Hälfte der Liegenschaften sind modernisiert worden.“ Was weniger gut angenommen wurde, sei die Prämie für Eigentümer, die dafür eine „störende Kneipe“ aufgegeben hatten. Doch Krüger sieht auch positive Veränderungen: „In den vergangenen fünf Jahren sind ein paar neue Akteure hinzukommen. Etwa der Immobilien-Entwickler Steen Rothenberger, der Projekte wie die Bar und Galerie „Der Kleine Mann mit dem Blitz“ oder das Boutique-Hotel „Libertine“ eröffnet habe, so Krüger. „Dieses Bestreben, ein anderes Publikum zu ziehen, tut dem Viertel gut.“ Das gelte auch für den geplanten Freitagsmarkt. Diesen sehe die Stadt aber auch ein Stück weit nach den Erfahrungen am Friedberger Platz und den Wildpinklern kritisch. „Aber es bewegt sich was. Lange Zeit hat sich nichts in Alt-Sachs bewegt.“
So sei auch endlich eine Lösung für den jahrelang leerstehenden Paradieshof gefunden worden. Die Liegenschaft hatte die Stadt 2011 gekauft, im Sommer 2016 hatte die European School of Design den Ideen-Wettbewerb gewonnen. Neben Lehrräumen und Studi-Wohnungen für die Privat-Uni sei ein öffentliches Café geplant. Letzte Vertragsgespräche laufen. „2018 soll der Umbau beginnen. 2020 soll es bezugsfertig sein“, sagt Detlef Wildermuth, Leiter der Schule. „Das ist realistisch“, sagt Krüger. Auch die Stadt wünscht sich: „Schluss mit dem Ballermann-Feeling. Aber Alt-Sachsenhausen wird auch künftig kein kleines süßes Wohnviertel. Das ist auch nicht unser Ziel.“
Geht man durchs Viertel, entdeckt man weitere nie vermutete Orte, wie den Skaterladen Bonkers in der auch tagsüber ziemlich dunklen Klappergasse. „Klar testen unsere Kunden die Boards auf dem Pflasterstein. Sie rollen zwar nur ein paar Meter, aber das hat auch seinen Charme“, sagt Besitzer Martin Schreiber. Seit zwei Jahren ist er hier, aber er lebt nicht von der Laufkundschaft. „Wir bieten sehr spezielle Skater-Mode und Skateboards an. Dafür reisen Leute auch aus anderen Städten gezielt an“, sagt der 25-Jährige – obwohl er auch einen Online-Shop habe. Die Miete sei günstiger als in der City. Über den geplanten Freitagsmarkt sagt er: „Schön, dass sich was bewegt, die Gegend ist nämlich gar nicht so hässlich.“