FAZ IV

Den Apfelwein selbst keltern

Ein verborgenes Geheimnis lauert im Keller der Apfelweinwirtschaft „Daheim im Lorsbacher Thal“ in Alt-Sachsenhausen. Dort lagern noch alte Holzfässer, in denen einst Apfelwein gekeltert wurde. Heute sind sie nicht mehr in Gebrauch, doch Wirt Frank Winkler will die alten Traditionen wieder aufleben lassen.
Sind stolz auf die seltenen Holzfässer in ihrem Keller: Pia und Frank Winkler, die seit Sommer 2014 das „Lorsbacher Thal“ betreiben. Sind stolz auf die seltenen Holzfässer in ihrem Keller: Pia und Frank Winkler, die seit Sommer 2014 das „Lorsbacher Thal“ betreiben.
Sachsenhausen. 

Wer oben im Gastraum der Apfelweinwirtschaft „Daheim im Lorsbacher Thal“ mitten in Alt-Sachsenhausen sitzt, der ahnt gar nicht, was sich dort im Keller verbirgt: Rund 30 riesige Holzfässer – aneinandergereiht wie auf einer Perlenkette – liegen dort im Kellergewölbe. Dort unten kann man die Geschichte des einstigen Alt-Sachsenhausens atmen.

Früher kelterten die Wirte ihren Apfelwein nämlich noch selbst. Die Äpfel – vorwiegend aus dem Odenwald kommend – wurden bergeweise auf den Hof der Wirtschaften gekippt, sogleich konnte das Keltern beginnen. Und wo gekeltert wird, da werden natürlich auch Fässer gebraucht. Das war damals die Aufgabe des Küfers, der die Bottiche aus Eichenholz anfertigte.

Bis zu 100 000 Liter

„Hier wurde noch bis 1980 jährlich 100 000 Liter Apfelwein selbst gekeltert“, erzählt Gastronom Frank Winkler, der im Sommer 2014 das Lokal „Lorsbacher Thal“ pachtete. Das Stöffche sei aber nicht nur in der Wirtschaft verkauft worden, sondern auch über die Gass’. „Damals kamen die Menschen noch mit ihren eigenen Flaschen hier vorbei, ließen sich den Apfelwein dort hineinfüllen und nahmen ihn mit nach Hause.“

Doch diese Zeiten sind ebenso längst vorbei wie die der Holzfässer. „Früher stand hier jeder Keller damit voll. Doch dann kamen die glasfaserverstärkten Kunststofffässer auf, irgendwann verschwand das Eichenholz dann auch aus den Kellern. „Wir haben hier noch einen der wenigen Keller, in denen die Holzfässer stehen“, sagt Winkler.

„Sie stammen alle von der Küfer-Familie Hinnerkopf und sind zwischen 1930 und 1960 hergestellt worden“, erzählt Winkler. Die Familie Hinnerkopf hatte früher ihre Küferei in der Großen Rittergasse 53-39, dort wo zuletzt die Bar „Hugo“ beheimatet war – schräg gegenüber des „Lorsbacher Thals“. „Heinrich Hinnerkopf, der hier in Alt-Sachsenhausen aufgewachsen ist, kannte alle Keller. Er war als Kind schon in ihnen unterwegs, denn nach dem Krieg lag ja alles in Schutt und Asche. Da haben die Kinder in den Kellern gespielt, weil das sicherer war“, erzählt Winkler. Und weil sich Heinrich Hinnerkopf mit Fässern und Apfelwein auskennt, hat Winkler ihn sofort, nachdem er die Bottiche entdeckt hatte, angerufen. „Sie waren nicht mehr in Benutzung, ich wollte das ändern, aber ,Heini‘ hielt mich davon ab.“ Sie seien faulig.

Trennen will sich Frank Winkler von ihnen aber nicht. „Sie gehören zum Haus“, sagt er. Und seinen Traum, in einem Holzfass Apfelwein zu keltern, hat er auch noch nicht aufgegeben. „Es wäre einfach spannend, das mal zu testen“, sagt der gebürtige Sachsenhäuser. Für nächstes Jahr hat er sich das vorgenommen. Dafür sucht er aber noch ein altes Eichenfass, das ihm jemand verkaufen würde.

Ein Experimentierlabor

Ein Experimentierlabor ist der Keller aber auch jetzt schon. Überall stehen 50-Liter-Bottiche aus Kunststoff, gefüllt mit verschiedenen Sorten Apfelwein, herum. „Ich habe so viel über das Stöffche gelesen, da wollte ich das mit dem Keltern mal selbst testen“, sagt Winkler. Ob er schmeckt? „Das weiß ich noch nicht. Das werden wir sehen.“ Aber noch ist es nicht so weit. Schmecken sie, kommen sie aber auf die Getränkekarte neben die 120 anderen Sorten, die im „Lorsbacher Thal“ angeboten werden – eine der wohl größten Kollektionen weit und breit. Neben heimischen Erzeugnissen beispielsweise von Andreas Schneider und der Kelterei Nöll gibt es hier Spezialitäten aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Von weiter her kommen französischer Cidre, spanischer Sidra und englischer Cider. Hersteller aus Dänemark, Norwegen, Holland und Irland steuern ebenfalls Erzeugnisse bei. „Ich möchte die größte Apfelweinkarte der Welt haben“, sagt Winkler. „Bis Ende des Jahres sollen es 200 Positionen sein.“ Ein bisschen verrückt klingt das schon. „Das muss man sein, wenn man sich so in das Thema Apfelwein einarbeitet wie ich. Man muss dafür brennen.“ Auf den Geschmack kam er übrigens während eines Abendessens bei einem Kumpel, der ihm zum Nachtisch den Holzapfel, einen Dessertwein aus Äpfeln, darbot. Er war begeistert und dachte: „Wenn man so etwas Gutes aus Äpfeln zaubern kann, muss ich mich einfach damit beschäftigen.“ Das war die Initialzündung.

Wer sich die Fässer im Keller anschauen will, der kann im „Daheim im Lorsbacher Thal“, Große Rittergasse 49, unter Telefon (0 69) 61 64 59 nachfragen.

(jlo)