Lorsbacher Thal: Das etwas andere Gasthaus

Darf Apfelwein so gut sein?

Das Lokal Lorsbacher Thal ist nicht der Nabel der Welt, aber das Zentrum des Frankfurter Amüsierreviers Alt-Sachsenhausen. Sein lebendiger Mittelpunkt, der das heimische Nationalgetränk Apfelwein jetzt auf Qualitätsniveau hebt. Mit einer Auswahl von mehr als 30 verschiedenen und handverlesenen Sorten – das angestrebte Ziel sind 100, die größte Apfelweinkarte der Welt. Frank Winkler und Johannes Döringer haben das Gasthaus übernommen und allein durch ihre ungewöhnlichen Apfelweinspezialitäten bereits neu in Position gesetzt. Winkler und Döringer sind keine typischen Apfelweinwirte, Winkler kommt aus der einstigen Betreiberfamilie des schönen und kulinarisch anspruchsvollen Schafhofs in Amorbach. Döringer ist seit Jahren Apfelwein-Aktivist und hat auch mal zwei Jahre bei Possmann gearbeitet, was ihm aber nicht geschadet hat.

Lorsbacher Thal

An dem würdevoll ergrauten Wirtshaus und seinem urwaldigen Garten hat sich nichts geändert. Und das ist auch gut so. Speisen und weit mehr noch Apfelweine aber werden anders als zuvor präsentiert. Den guten Hausschoppen gibt es immer noch, er flitzt munter über die Zunge und wird die alteingetrunkenen Gäste weiter bei Laune halten. Für Liebhaber der neuen Apfelwein-Generation stehen indes viele weitere interessante Erzeugnisse von Arno Dirker, Andreas Schneider, Jörg Geiger, Gerhard Nöll, der Kelterei Rothenbücher und anderen bereit. Diese werden nicht im traditionellen Gerippten ausgeschenkt, sondern im Weinglas. Und weil man gerne verschiedene Apfelweine durchprobieren möchte, ist es vorteilhaft, dass sie auch in der Größe 0,1l zu haben sind und nicht nur im großen Glas oder als Flasche.

Jörg Geiger aus Schlat bei Göppingen verabreicht mit seiner Kombination aus Gewürzluike (Apfel mit Frische) und Oberösterreichischer Weinbirne (saftig-herbe Birne) einen sehr spannenden Obstwein, der nicht Äpfel mit Birnen vergleicht, sondern sie so zusammenbringt, dass daraus ein harmonisches Traumpaar wird. Während diese Cuvée vielen gefallen dürfte, erscheint „Der Echte“ vom Fass von der Kelterei Rothenbücher schon eher etwas für Fortgeschrittene – er ist sehr trocken und wurde Naturtrüb belassen. Geht wunderbar solo, passt aber auch gut zum Sülzchen von der Sauenrippe. Aus der Uckermark kommt die herb-frische Kaiser Wilhelm Renette mit Quitte vom Gutshof Kraatz, aus Poppendorf in der Steiermark die elegante und schon weinige Rubinette von der Kelterei Haas. Für Einsteiger eignet sich besonders gut der fein perlende und schlanke Apfelsecco von der Kelterei Nöll. Auch Jens Becker ist mit seinem Schoppen von der Streuobstwiese vertreten – ganz in der Nähe hat er gerade seine besuchenswerte eigene Apfelweinhandlung in der Brückenstraße 21 eröffnet, wo man über 40 verschiedene Sorten findet.

Johannes Döringer (l.) und Hendrick Docken

Johannes Döringer (l.) und Hendrik Docken

Im Lorsbacher Thal kann man ganz tief in das Thema Apfelwein eintauchen und wird viel Stoff finden, auch für Diskussionen. Darf Apfelwein so gut sein? Ja, er muss so gut sein. Und sich in seiner ganzen Vielfalt zeigen. Die sich auch beim Preis zeigt. Der Hausschoppen liegt mit 1,90 € im 0,3l-Glas im unteren Bereich, Andreas Schneider mit seinem Perlwein von der Roten Sternrenette mit 44 € für die Flasche an der Spitze.

Weil man nicht immer Lust auf Extragroß hat, gibt es neben den bekannten Deftigkeiten Sachsenhäuser Art im Lorsbacher Thal auch „Häppchen“. Ein Dutzend kleinerer Gerichte à la Bulette mit Kartoffelsalat und Kartoffelstampf mit gerösteten Steinpilzen. Lecker auch die kleinen Bratwürstchen und der Handkäs-Salat. Die Hessen-Miniaturen, die gar nicht einmal so klein ausfallen, kosten zwischen 2,20 und 4,80 € und sind eine gute Alternative zu den grundsätzlich großportionierten Gerichten des Hauses. Das neu konzipierte Lorsbacher Thal ist jedenfalls eine positive Belebung für das noch vielfach zu negativ gepolte Altstadtrevier und eine Bereicherung für die ganze Stadt.

LF

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Hessische Apfelwein-Meisterschaft

Lorsbacher Thal

Der Holz-Künstler Hendrik Docken aka Hendoc aus Oberursel macht nicht nur einen der besten Apfelweine des Landes, sondern ist auch Mitinitiator der Hessischen Apfelwein-Meisterschaft, an der ausschließlich kleine private Keltereien und keine professionellen Betriebe teilnehmen. Aus ganz Hessen.

Die Mikro-Keltereien reichen ihre Erzeugnisse ein, die dann in einer Blindverkostung bewertetet werden – in diesem Fall von den Besuchern des Lorsbacher Thals. Für einen winzigen Obolus von 8 € konnte alles probiert werden. 20 Glasballone standen an drei Tagen bereit, 250 Gäste füllten fleißig ihre Bewertungszettel aus – mit Noten von „schlecht“ bis „meisterlich. Die Apfelweine zeigten einen ziemlich interessanten Querschnitt von völlig abenteuerlich bis beachtlich gut. Manche Apfelweine schmeckten nach Nagellackentferner, andere frisch und herb, wie es sein soll. Sieger wurde Jörg Markloff aus Friedrichsdorf-Seulberg mit einem milden und gefälligen Tropfen (auf dem anonymen Bewertungszettel die Nr. 16).

Photocredit: Barbara Fienhold

September 2014